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„DIE SPITZE IST DÜNN“

Robert Stanjek über Gründe, warum es nicht mehr erfolgreiche Segler hierzulande gibt und was nötig wäre dies zu ändern

Interview mit der Yacht – Tatjana Pokorny

Robert Stanjek könnte gelingen, wovon so viele nur träumen: Der Olympia-Sechste kämpft um einen Platz im holländischen Volvo-Ocean-Race-Team Brunel. Der ehemalige Aktivensprecher der Olympiasegler und Deutschlands Segler des Jahres 2011 hat sich seine Erfolge und die Chance zum Wechsel ins Profilager selbst erarbeitet.

Wie bewerten Sie die vielen Erfolge der deutschen Segel-Junioren im vergangenen Jahr?

Die sind toll und lassen sich gut verkaufen. Man darf ihnen aber nicht zuviel Gewicht einräumen. Wenn man Athleten aufbaut und groß macht, dann zählen über Jahre vor allem die Stunden auf dem Wasser und die Qualität des Trainings. Frühe Erfolge sind schön, aber kein Muss für spätere Gipfelstürme.

Ist nicht einer, der sich früh durchsetzen kann, auch später besser in der Lage dazu?

Vielleicht ist es jemand, der nicht durch das System sondern durch Verein und Eltern zu lange gepäppelt worden ist. Man stelle sich vor, ein junges Team hat in einer Juniorenklasse zwei Jahre Gas gegeben, Geld, alle Möglichkeiten und auch Erfolge gehabt. Dann wechseln sie in eine olympische Klasse und treffen auf Senioren-Teams, die seit zehn, 15 Jahren nichts machen als auf diesem Boot zu segeln. Das hat unseren Leuten vorher oft keiner in dieser Härte klar gemacht. Da fehlt ihnen dann die Geduld, eine möglicherweise Jahre dauernde Talfahrt auszuhalten, bevor es nach oben geht. Man muss sich nur mal die Australier ansehen, die in Weymouth mehr Goldmedaillen als die Engländer gewonnen haben. Die hatten das durchschnittlich älteste Segelteam am Start. Mein Vorschoter Frithjof Kleen und ich waren im Starboot mit einem Altersdurchschnitt von 30 Jahren die jüngsten. Wir hätten mindestens noch Rio 2016, wenn nicht 2020 für eine Medaille gebraucht.

Warum haben wir nur so wenige herausragende Talente im olympischen Segelsport?

Die uns überlegenen Länder haben oft eine breitere Masse. Da bleiben mehr übrig. Wir sind im Nachwuchs nicht gut aufgestellt. Und dann tragen wir die wenigen Talente nicht mit genug Sorgfalt nach vorne. Manchmal kommt es mir auch so vor, als würden viele in der Nationalmannschaft nur über Facebook trainieren. Ein, zwei harte Trainings und dann wird erst mal gepostet, um Anerkennung zu kriegen. Die werden aber auf dem Kurs draußen zerrissen. Die schaffen es vielleicht mit Spaß und geilen Aufklebern zwei Jahre durchzuziehen. Man braucht aber im Segelsport eher zwei Olympiazyklen, um vorne bei den Senioren anzukommen.

Verlieren wir diese Segler, weil Leistungssport zu hart ist?

Nein, nicht nur deshalb. Es liegt am Gesellschaftssystem. Die Leute, die im Segelsport oben ankommen, sind in der Regel clever, haben Abitur, werden studieren. Die haben ein Umfeld, das in der Wirtschaft Gas gibt, während auf sie ein Lebensabschnitt wartet, in dem sie zehn Jahre oder länger Gas geben müssen, um in den Medaillenbereich zu kommen. Dann sind sie 30 Jahre alt. Und haben die Medaille nur vielleicht. Unsere Gesellschaft lebt andere Werte vor: Beruflichen Erfolg, Geld. Dahin hat es der Segelsport noch nicht ganz geschafft und so erklärt sich die hohe Drop-Out-Quote.

Dabei gibt es doch viele Beispiele von erfolgreichen Seglern, die später auch im Job Karriere machen...

... das ist so: Alle, die längere Zeit Segelleistungssport betrieben und nebenher studiert haben, gehen im Job ab wie Raketen.

Dann müssten sie es doch auch mit dem Segelsport bergauf gehen?

Wenn du dich dem Sport richtig commitest und gute Leistungen bringst, dich dabei auch noch ein bisschen verkaufen kannst, dann geht es in Deutschland ganz gut. Dazu hat auch das Audi Sailing Team Germany mit Professionalisierung einiger Bereiche beigetragen. Der Segelsport bekommt mehr und mehr Aufmerksamkeit.

Was kann die deutsche Segelnationalmannschaft 2016 vor Rio de Janeiro erreichen?

Wir haben einige sehr starke Segler. Doch die Spitze ist sehr dünn. Man kann aus deutscher Sicht ganze Klassen mit Blick auf die Medaillen ausschließen: Alle Nacra-Bemühungen sind eingestampft, ins Finn Dinghi wird zwar mit einem neuen smarten Projekt investiert, aber die Jungs sind noch sehr jung, haben gerade Abi gemacht. Es ist gut, dass man hier breit anfängt, aber da darf man für Rio noch nichts erwarten. Wir haben gute Trainer, aber zur Zeit eigentlich keinen, der auch mal ein erfolgreiche Athlet war und eine gute spotpädagogische Ausbildung hat. Das ist wichtig um ein sauberes Technik Leitbild zu vermitteln. So einen wie den Briten Mark Howard, der vor einigen Jahren von England nach Neuseeland gegangen ist. Ein absolut starker Segler aus dem britischen Erfolgssystem. Der hat im Handumdrehen eine ganz starke Gruppe aufgebaut. Und plötzlich haben die da in Neuseeland sechs starke Laser-Leute beisammen, die sie in den Folgejahren über die anderen Klassen streuen. Alex Schlonski wäre in Deutschland aus meiner Sicht der beste. Da würde ich sofort mein Kind abgeben. Solche Jungs sind Gold Wert und wir schaffen sie nicht zu holen oder zu halten.

Woran hapert es bei uns, warum haben die einst so erfolgreichen deutschen Olympiasegler in den vergangenen zehn Jahren nur eine Bronzemedaille gewonnen?

Viele Punkte sind ja schon genannt. Manchmal denke ich wir identifizieren uns nicht so richtig mit unserer Nation und unser Land sich nicht mit seinen Sportlern. Es wäre gut, wenn man eine Art Nationen Cup aufbauen könnte. Ein Motiv um die Kräfte wieder zu bündeln und nicht so oft gegeneinander zu ziehen. Wie früher beim Admiral’s Cup mit Nationenformel. Wir würden vielleicht weit hinten anfangen, aber auf Dauer würde es wieder funktionieren. Es hat ja sogar sehr lange gedauert, bis die Deutschen beim Fußball mal die Fahnen rausgehängt haben.

Wie war es um Ihr Nationalbewusstsein bei den Olympischen Spielen 2012 bestellt?

Als Friedl und ich nominiert waren, sich die Mittel auf uns konzentrierten und man begann das Land hinter sich zu spüren, war das eine völlig neue Erfahrung für mich. Es hat mich ganz anders stolz gemacht, obwohl sich der öffentliche Wellengang bei uns Seglern ja noch in Grenzen hielt. Ich habe gedacht: So müsste es immer sein. Und ich habe gedacht, dass andere Segelnationen dieses Gefühl viel öfter entwickeln und davon enorm profitieren. Die Kiwis schöpfen viel Kraft und Stolz aus dem America’s Cup. Solche Leuchtturmprojekte fehlen uns. Es gibt nicht viele wie Markus Wieser oder Tim Kröger, die auch mal den Nachwuchs unter ihre Fittiche nehmen und dadurch Chancen schaffen.

Sie wollen ihre Chance zum Sprung ins Profisegeln nutzen, die Sie sich mit Platz sechs bei den Spielen im Starboot erarbeitet haben, bevor das Kielboot zu Ihrem Leidwesen aus dem olympischen Programm gestrichen wurde...

Das Wort Olympia ist ein Türöffner. Die Olympischen Spiele sind stark. Da fahren nur die Besten hin. Wenn man die Spiele, das Volvo Ocean Race und den America’s Cup als Meilensteine einer Segelsportkarriere betrachtet, dann kommen die Spiele als erstes. Sie sind eine Art Eliteuniversität. Wenn du sie erfolgreich bestritten hast, hast du einiges bewiesen: Dass du unter Druck gut entscheidest, dass du hart gearbeitet und dir dabei ein Können angeeignet hast.

Was reizt Sie am professionellen Segelsport?

Grundsätzlich betrachtet macht es Spaß mit dem Segelsport Geld zu verdienen. Wenn man professionell arbeiten kann und mit seinem Team einen Wachstumsprozess durchläuft, dann reizt mich das genau so wie die Chance zum Sieg.

Und warum muss es gleich einmal um die Erde gehen?

Ein Rennen um den Globus mit einem so guten Team: da werden viele qualitativ extrem hochwertige Segeltage dabei sein. Die müssen ja her, wenn du gewinnen willst. Das ernährt mich. Das finde ich toll. Es wäre einfach eine sehr spannende neue Herausforderung! Man lernt viel und ich würde es als Privileg empfinden, wenn ich diesen Job bekäme. Dafür muss ich jetzt kämpfen.

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